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Ist es möglich, die so umfangreich analysierten letzten zweieinhalbtausend Jahre unter einem ganz neuen Blickwinkel zu betrachten? Der Autor versteht diese metaphysische Zeit als eine kurze Übergangsphase der abendländischen Kultur, die in ihrer Verrücktheit etwas Unwahrscheinliches hervorgebracht hat: das freie Ich. Die eingebildeten Götter und sonstigen Menschengespenster dienten zuletzt nur der – zunächst stillen, seit dem 19. Jahrhundert offenen – Selbsterhöhung des Menschen: der Mensch das übernatürliche Wesen. Das eingebildete freie Ich ist die Krönung dieser Selbstüberschätzung. Diese Eitelkeit haben wir teuer durch Vernichtungsorgien bezahlt: zuletzt jeder gegen jeden und im Zweifelsfalle gegen die Natur. Die Jenseitsprojektionen haben die Herausbildung einer Hierarchie ermöglicht, die nicht nur den Mächtigen über die Untertanen setzte, sondern auch den Vater über die Familie und die Mutter über die Kinder. Doch die schlimmste und folgenreichste hierarchische Abspaltung ist die eingebildete Herrschaft des Ichs über den Körper. Jeder Einzelne trägt den Wahnsinn dieser Diesseits-Jenseits-Spaltung in sich. Die Spaltung des Individuums ist der Urgrund des Problems, doch darin liegt auch eine Chance: Jeder Einzelne kann durch die Arbeit an sich selbst zur Überwindung des metaphysischen Phänomens beitragen. Die Wege und Mittel, die der Autor vorschlägt, sind individuelle Weltbildtheorie und Meditation. Während ein gutes selbstgemachtes Weltbild das eigene Ich als Einbildung sichtbar macht, kann die Meditation unser Selbstwertgefühl stärken, damit wir – fest eingebettet in eine Ichkultur – den Blick auf die Wirklichkeit des Ichs überhaupt aushalten können.